Die Diskussion um den nicht nur in meinen Augen fremdenfeindlichen Artikel von Frank Stenglein in der WAZ vom 23. April 2021 schlägt hohe Wellen. Die passenden Zahlen dazu lieferte als Steigbügelhalter für diese Suada der Essener Stadtdirektor Peter Renzel. Aus dem Lesen von Namenslisten infizierter Corona-Patienten war es ihm ein Anliegen, auf die überproportionale Infizierung von Migranten hinzuweisen.
Dazu habe ich folgenden Leserbrief an die WAZ-Redaktion geschrieben, der in stark gekürzter und entstellter Fassung am 26. April 2021 abgedruckt wurde:
Jeder zweite Infizierte ist Migrant
Welch eine entlarvende Überschrift! Denn der Subtext lautet doch: Wie gut könnte es uns in Essen gehen, wenn wir den Migranten mit seiner sorglosen Kultur, seinen vielen Familienmitgliedern und seinen zu kleinen Wohnung nicht hätten. Die Quelle für dieses journalistische Desaster à la Stenglein ist allerdings viel beunruhigender: Es ist der oberste Gesundheitswächter der Stadt, der schon beim Lesen von Namen auf einen Migrationshintergrund und all das schließen kann, was seiner Meinung nach mit den Namen einhergeht. Niedriges Bildungsniveau, ausgeprägter Machismo – alles dabei.
Der Artikelschreiber kommentiert dann auch lieber gleich noch selbst. Immer schön verbrämt mit Sätzen, die ein rettendes Ufer bieten, wird hier in eine strukturell angelegte Kerbe geschlagen. Das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen. Natürlich. Aber man wird dem Subtext auch vehement widersprechen dürfen – nein: müssen!
Mit kontinuierlich tendenziöser Berichterstattung wird rassistischen Parolen der Weg freigemacht. Erbärmlich ist das. In einer ersten Stellungnahme nannten Bündnis 90 / Die Grünen die Tendenz der Aussagen von Stenglein / Renzel in der Tat rassistisch.
Und dabei sind folgende Fragen öffentlich noch gar nicht gestellt worden:
- Wenn Migranten das Problem sind: In wessen Zuständigkeit liegen die Übergangswohneinrichtungen? (Herr Renzel)
- Welcher kommunale Fachbereich hat denn Kontakt zu LeistungsempfängerInnen, die – so die Behauptung – aufgrund ihres sozioökonomischen Umfeldes so stark betroffen sind? (Herr Renzel)
- Wer verantwortet die Öffentlichkeitsarbeit und die Information für ALLE Mitbürger, wenn Defizite offensichtlich sind? (Herr Kufen)
- Wer leitet als Geschäftsbereichsvorstand das Kommunale Integrationszentrum, das sicherlich auch Ideen im Pandemiekontext hat? (erneut Herr Kufen).
Mit besten Grüßen
Heinz Schnetger
Dipl.-Ing. Architektur